Liebe Brüder und Schwestern in der claretinischen Familie,
mir fehlen die Worte, um auszudrücken, was in mir an diesem Osterfest 2020 vorgegangen ist. Die diesjährige Karwoche zwang uns, die Rätsel des menschlichen Lebens zu betrachten und die Entfaltung seiner tieferen Bedeutung im Ostergeheimnis unseres Herrn. Inmitten der unverminderten Parade des pandemischen Corona-Virus wissen wir, dass die Kraft des auferstandenen Herrn die ganze Menschheit mit seinen Worten „Friede sei mit euch“ umhüllt. Die Liturgie der Karwoche war von geistlicher Nähe bei körperlichem Abstanden zwischen den Menschen geprägt. An den göttlichen Geheimnissen, die hinter verschlossenen Türen gefeiert wurden, konnten die Gläubigen nur online zu Hause teilnehmen und so ihre Herzen in Glaube und Hoffnung durch den unsichtbaren Akkord der Liebe Gottes verbinden. In der Vorsehung Gottes bereitete uns das Geschenk des Internets vor, gemeinsam den Kampf gegen das weltweite Virus aufzunehmen und die Tage der Ausgangsbeschränkungen so zu bewältigen, wie wir es jetzt tun.
Die Fastenzeit 2020 fiel für einen Großteil der Menschheit mit der Abgeschiedenheit der Ausgangsbeschränkungen zusammen und bewirkte eine unglaubliche weltweite Praxis der geistlichen Übungen. Die Menschheit erlebte in den letzten Monaten einen langen Karfreitag, und immer mehr Familien wurden geliebte Verstorbene genommen, die am Corona-Virus starben. Da waren Ärzte, Krankenpfleger, Priester und weiteres Personal einschließlich unserer Brüder, die ihr Leben riskierten, um den Kranken zu dienen. Inzwischen hat die Ausgangssperre Millionen Arme in Mitleidenschaft gezogen, die jeden Tag von der Hand in den Mund leben. In unserem „klausurierten“ Leben war das Wissen um den Kampf der Welt sehr präsent, insbesondere in Gebet und Liturgie. Jetzt weiß ich, warum man sagt, die ganze Welt sei im Kloster präsent. In der Tat ist die Stille das Tor zur Erfahrung der Präsenz. Trennung ist eine Voraussetzung für Verbundenheit. Klar konnen wir die Kreuzigung unserer Tage im Licht des auferstandenen Herrn erleben.
Wenn ich Jesus am Kreuz betrachte und die Erfüllung seines Auftrags in den Worten „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30), denke ich daran, wie unser Gründer von Jesus lernte und seine letzten Tage in Fontfroide lebte. Am 150. Todestag unseres Gründers lernen wir von seinem Leben, wie man Leben und Sterben Jesu zum Maß unseres Lebens und Sterbens macht.
Als wir uns wochenlang in unsere Häuser zurückzogen, gab Gott der übrigen Schöpfung eine Bonus-Zeit, die ihr bisher durch die Jagd der Menschen nach einem glücklichen Leben verweigert wurde. Es ist erstaunlich, Bilder von Elefanten zu sehen, die über Landstraßen gehen, und Enten, die ohne Angst über die Startbahn eines Flughafens wackeln. Die Natur atmet frische Luft. Uns ist jetzt stärker bewusst, dass der Planet ein gemeinsames Heim für die ganze Schöpfung ist.
Es ist noch schwer vorherzusehen, wie die Welt nach der Corona-Krise aussehen wird. Die Pandemie hat viele unserer gewohnten Einstellungen und Praktiken in Frage gestellt. Eines ist sicher: Wir Menschen können und dürfen nicht so weitermachen, wie wir unser Leben organisert und die Ressourcen missbraucht hatten, indem wir unsere Mitgeschöpfe ignorierten und einander ausbeuteten. Ostern erinnert die Menschheit weiterhin an Gottes Geschenk des Friedens, der Freude und des Lebens, das nie stirbt. Wirklich, Christus ist von den Toten erstanden. Halleluja!
Ich wünsche euch allen gesegnete Ostern.
P. Mathew Vattamattam CMF
Generaloberer