Philippus
Dieser Nachfolger Jesu und Angehörige des Kreises der Zwölf wird an zahlreichen Stellen erwähnt, insbesondere im vierten Evangelium und in auch in der alten Kirche. Philippus und Andreas haben gemeinsam, dass sie als einzige unter den Zwölf griechische Namen tragen. In der Abfolge der Berufungen, die uns Joh 1,40-43 bietet, gibt er uns zu verstehen (wenn man Vers 43a gut übersetzt), dass es Andreas war, der Philippus traf und ihn zu Jesus brachte, und dieser ehrte ihn mit der Berufung.
Über Philippus, dessen Name Pferdefreund bedeutet, sagen uns die Synoptiker nur, dass er zum Kreis der Zwölf gehörte; dagegen macht ihn das vierte Evangelium in mehreren Szenen zur Hauptperson. Wir haben bereits seine Berufung durch die Vermittlung des Andreas erwähnt, als beide zum Kreis Johannes des Täufers gehörten (vgl. Joh 1,40 ff.). Angesichts des Mangels an Broten, fragt Jesus den Philippus, wie sie die Menge satt machen könnten, und Andreas antwortet: Ein Junge hat fünf Brote und zwei Fische (vgl. Joh 6,8 f.). Beide übernehmen dann wieder die Vermittlerrolle, damit einige griechische Pilger Kontakt mit Jesus aufnehmen können: „Sie traten an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und sagten zu ihm: Herr, wir möchten Jesus sehen. Philippus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philippus gingen und sagten es Jesus“ (Joh 12,21 f.); ihre griechischen Namen könnten ein Zeichen für ihre hellenistische Kultur und ihre Kenntnis der griechischen Sprache sein, die sie zu dieser Vermittlung befähigt; ihre frühere Zugehörigkeit zum Kreis Johannes des Täufers (vgl. Joh 1,40-44) macht sie zu Leuten am Rand, die dem palästinischen Judentum gegenüber kritisch und nonkonformistisch waren. Daher konnten sie den Juden oder Gottesfürchtigen aus der Diaspora als Brücke zu Jesus dienen. Beim Letzten Abendmahl wird Philippus noch einmal erwähnt; er will, dass ihm Jesus den Vater zeigt (dahinter steckt eine missionarische Absicht: er will ihn anderen mitteilen können). Jesus antwortet ihm, es genüge für ihn, wenn er ihn, das vollkommene Abbild des Vaters, sehe (vgl. Joh 14,8).
Besonders umstritten ist die mögliche Gleichsetzung des Philippus aus dem Kreis der Zwölf mit dem aus dem Kreis der sieben Diakone, die in der Apostelgeschichte erwähnt werden (Apg 6,5). Die gegenwärtige historisch-literarische Kritik neigt zunehmend zu einer solchen Gleichsetzung: ihr griechischer Name, ihre Vermittlung zwischen den Griechen und Jesus, ihre ursprüngliche Zugehörigkeit zum Kreis des Täufers, ihr schneller Einsatz für die Mission unter Nichtjuden – der von der Apostelgeschichte (Kap. 8) ebenfalls bezeugt wird – sind starke Argumente dafür.
Wenn es so ist, dann ist Philippus, der Nachfolger des Stephanus und Anführer der aus Jerusalem vertriebenen Hellenisten (vgl. Apg 8,1-4), der Initiator der Mission bei den Samaritern (vgl. Apg 8,5-13), der erste, der einen Nichtjuden, einen bloß Gottesfürchtigen, den äthiopischen Eunuchen, in die Kirche einführt (vgl. Apg 8,27-38), und der erste christliche Missionar, der sich in einer heidnischen Stadt, der Hafenstadt Caesarea, niederließ (vgl. Apg 8,40). Eine Gruppe von Gefährten, die wahrscheinlich von ihm ausgesandt wurden, gründete dann die überaus wichtige Gemeinde von Antiochia (vgl. Apg 11,19 f), die erste gemischte oder ökumenische Gemeinde, die aus früheren Juden und früheren Heiden bestand, von der wir Kenntnis haben. Philippus persönlich scheint recht lange nicht von Caesarea weggegangen zu sein, und in seinem Haus fand Paulus dann Unterkunft, als er seine letzte Reise nach Jerusalem machte (vgl. Apg 21,8), was vermutlich um das Jahr 55 war.
Von diesem Zeitpunkt an verliert das Neue Testament Philippus für immer aus den Augen. Nach Bischof Papias von Hierapolis (Anfang des 2. Jahrhunderts) begab sich Philippus später nach Kleinasien. Wenn man bedenkt, wie wichtig dieser Apostel im vierten Evangelium ist und wie stark die johanneische Tradition in diesem Gebiet verwurzelt war, erscheint diese Nachricht wahrscheinlich. In Hierapolis (dem heutigen Pamukale in der Türkei) sind beeindruckende Ruinen einer schönen und geräumigen Kirche aus dem 5. Jahrhundert mit achteckigem Grundriss erhalten, die eben dem heiligen Philippus geweiht war.
Erwägungen Clarets
Pater Stifter betrachtet die Apostel zuallererst als Prediger, aber nicht als irgendwelche Prediger, sondern als, menschlich gesprochen, schwache und verfolgte, die aber großen Erfolg haben dank Gott, der sie aussandte. „O ihr hochheiligen und glorreichen ersten Prediger und Begründer des Glaubens! Wer könnte daran zweifeln, dass sie wirklich von Gott gesandte Menschen waren, die mit ihm verbunden waren und sich für ihn einsetzten? Sie begannen ihr bewundernswertes Unterfangen gegen allen Augenschein und gegen die Ratschläge der menschlichen Vernunft; sie führten es weiter inmitten der machtvollen Gegenwehr aller Völker; die Zahl ihrer Anhänger wuchs über alle natürlichen Möglichkeiten und über jegliche Vorstellung hinaus; sie blieben stark inmitten der größten Bedrängnisse und Widersprüche, von unerträglichen Qualen und der Aussicht auf einen überaus schmerzvollen Tod […]. Sie stürzten die Macht der Hölle allein mit dem Namen des auferstandenen Herr, ihres Meisters Jesus; und sie erlebten, wie sich auf eine nicht auszudenkende Weise das ganze Römische Reich zusammen mit allen ihm unterworfenen Völkern ebendiesem Meister und seinem Evangelium unterordnete.“
Jakobus, der Sohn des Alphäus
Der Jakobus, der heute gefeiert wird, steht jeweils an neunter Stelle in den verschiedenen Listen der Zwölf, und an allen vier Stellen, wo diese Liste überliefert wird, erhält er den Beinahmen Sohn des Alphäus (vgl. Mt 10,3; Mk 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13). Das ist eine wichtige Bestimmung, um ihn vom anderen Jakobus, dem Sohn des Zebedäus, zu unterscheiden, der ebenfalls in der Liste der Zwölf steht, und von anderen gleichnamigen Personen im Neuen Testament. Dieser Name, auf Hebräisch und Aramäisch Jakob (den Gott beschützt), war damals in Palästina sehr gebräuchlich; daher war es notwendig, immer einen Beinamen hinzuzufügen. Wenn man berücksichtigt, dass auch Levi, der Jesus nachfolgte, den Beinamen Sohn des Alphäus trägt (vgl. Mk 2,14), scheint es möglich, dass Levi (der zum Jünger des Herrn berufen ist) und Jakobus (der nicht nur zum Jünger, sondern auch in den Kreis der Zwölf berufen ist) Brüder waren; beweisen lässt sich das aber nicht. Die wiederholte Erwähnung des Alphäus im Markusevangelium lässt daran denken, dass dieser eine in der Urgemeinde in Jerusalem gut bekannte Persönlichkeit war.
Manche wollten Jakobus, den Sohn des Alphäus, mit Jakobus dem Kleinen gleichsetzen, der in Mk 15,40 (und in Mk 16,1 und Lk 24,10) als Sohn, Ehemann oder – am wahrscheinlichsten – Vater einer der Marias, die beim Tod Jesu dabei waren, erwähnt wird. Doch diese Gleichsetzung erweist sich als schwierig, denn es ist nicht zu verstehen, warum Markus den Beinamen einer bereits bekannten Persönlichkeit ändern sollte. Der Kleine ist der Beiname, der diesen Jakob unterscheidet vom Sohn des Zebedäus, vom Sohn des Alphäus und von Jakobus, dem Bruder Jesu, die alle im Markusevangelium erwähnt werden.
Häufiger war die Verwechslung von Jakobus, dem Sohn des Alphäus, mit diesem eben erwähnten Bruder Jesu. Man findet sie nicht nur in mehr oder weniger volkstümlichen Heiligenbüchern wie dem von Croisset (19. Jahrhundert) oder in dem in Paris erschienenen Vies des Saints des Bénédictins (20. Jahrhundert), sondern sogar in der Bibliotheca Sanctorum (Band 4, S. 401) und in den aktuellen liturgischen Büchern. Entsprechend dieser Verwechslung und im Anschluss an den heiligen Hieronymus halten diese Heiligenbücher den betreffenden Jakobus für einen Asketen aus dem Judentum, eine Art Nasiräer, der kein Fleisch aß und keinen Wein trank, der immer barfuß ging und Jahwe stets um Vergebung für die Sünden seines Volkes bat; und gestützt auf den heiligen Epiphanius, schreiben sie ihm die immerwährende Ehelosigkeit zu. Und vor allem stellen die Angaben bezüglich des Bruders des Herrn im Neuen Testament fest, er habe eine persönliche Erscheinung des Auferstandenen erlebt (vgl. 1 Kor 15,7), er sei der Zweite in der Kirche von Jerusalem (vgl. Apg 12,17) und deren persönlicher Leiter geworden, nachdem Petrus auf Missionsreise ging (vgl. Apg 21,18 ff.). Sein großes Ansehen habe ihm nach dem Zeugnis von Flavius Josephus und Hegesipp den Beinamen der Gerechte eingetragen und habe ihn zur Zielscheibe des Zorns des Hohenpriesters Hannas II. werden lassen, der eine Vakanz der römischen Regierung ausgenutzt habe, um ihn um das Jahr 62 hinrichten zu lassen. Sie gestehen zu, das die erhaltene Beschreibung seines Todes von Hegesipp legendarisch ist.
Doch diese Gleichsetzung ist abzulehnen; das Urglaubensbekenntnis, das von 1 Kor 15,5-7 überliefert wird, unterscheidet deutlich zwischen den Zwölf und Jakobus und allen Aposteln. Und es ist nicht wahrscheinlich, dass der Titel Bruder des Herrn durch den viel weniger ehrenvollen Sohn des Alphäus ersetzt wurde. Doch dank der Tatsache, dass sich die traditionelle Verwechslung auf den Bruder des Herrn konzentrierte, war unser Jakobus, der Sohn des Alphäus, vor den Legenden geschützt, die sich an den anderen Aposteln mästeten. Diese ungebührliche Gleichsetzung war vielleicht die Ursache dafür, dass es kein liturgisches Fest für den Bruder des Herrn gibt.
Erwägungen Clarets
In seiner Colección de Selectos Panegíricos hat P. Claret Predigten über fast alle Apostel, aber nicht über Jakobus, den Sohn des Alphäus. Es ist anzunehmen, dass ihm Pater Stifter das zuschreibt, was er allgemein über die Apostel sagt.
„Und was soll ich vom heiligen Jakobus sagen, vom heiligen Johannes und von den übrigen Aposteln? Mit welcher Hingabe und mit welchem Eifer eilten sie von einem Reich zum andern! Mit welchem Eifer predigten sie, ohne Angst und ohne menschliche Rücksichten, da sie bedachten, dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen. Dies entgegneten sie ja auch den Schriftgelehrten und Pharisäern, als sie ihnen verbieten wollten, noch weiter zu predigen. Wenn man sie auspeitschte, ließen sie sich dadurch nicht einschüchtern und vom Predigen abhalten, im Gegenteil: Sie priesen sich glücklich, weil sie für Jesus Christus hatten leiden dürfen.“
Um die Verehrung der Apostel zu fördern, greift er zu historischen und theologischen Argumenten: „Die Ehre, die den versammelten elf Aposteln jene beiden Emmausjünger zuteil werden ließen, die Ehre, die allen Aposteln die Evangelisten auf jeder Seite erweisen, und die Ehre, mit der sie Jesus Christus stets auszeichnete, ist eine wiederholte und kraftvolle Mahnung an die ganze Christenheit, die heiligen Begründer und Verbreiter des Christentums bis zum Ende der Zeiten ebenso zu ehren, soweit es möglich ist. So verstanden und hielten es die besten Christen der alten Zeit, die nicht den geringsten Teil der Einhaltung der Gebote und auch nicht der beständigen Achtung und Verehrung unterließen, die den Aposteln geschuldet ist […]. Vielen geringeren Heiligen bekundet und erweist man heutzutage eine lobenswerte Verehrung, doch gegenüber den Aposteln gibt es sehr wenig oder nichts davon, und wie Christus die unerschöpfliche himmlische Quelle ist, aus der die übernatürlichen Wasser strömen, um uns für das ewige Leben zu waschen, so sind die Apostel jeweils Kanäle und Flüsse, durch die dieses verehrte Wasser verteilt wird.“