Als Antonius Maria Claret die Kongregation der Söhne des Herzens Mariens gründete, hatte er bereits im Sinn, mithelfende Brüder aufzunehmen, die ebenso Ordensleute wie die Priester sein, sich aber den internen Aufgaben der Gemeinschaft widmen sollten. Auch wenn sie keine priesterlichen Dienste ausübten, waren sie missionarische Ordensleute im vollen Sinne des Wortes. Sie waren nicht nur gewollt, sondern halfen auch stets in bemerkenswerter Weise im Leben und missionarischen Wirken der Kongregation mit.
Zu den mithelfenden Brüdern zählt einer, der sich in der Claretinerprovinz Chile von 1880 bis 1927 durch ein einzigartiges Leben auszeichnete: Br. Pedro Marcer Cuscó. Der Name wird in den verschiedenen Verzeichnissen gelegentlich Marcer bzw. Marcé, Cuscó bzw. Coscó geschrieben. Wir verwenden Marcerund Cuscó.
In Avinyonet del Penedés, einem Ort in der Provinz und Diözese Barcelona, gingen Pedro Marcer Nicolau, der aus dem Ort gebürtig war, und Rosa Cuscó Salas, gebürtig aus Les Gunyoles (Provinz Barcelona) die Ehe ein. Sie waren ein verantwortungsvolles christliches Ehepaar mit geläutertem Glauben und großer göttlicher Liebe, die durch dauernde religiöse Übungen angefacht wurden, die sie in reichem Maß auf die heilige Gottesmutter Maria richteten. Sie hatten fünf Kinder; unser Bruder Pedro war das zweite und ist am 1. Oktober 1854 geboren. Er wurde am folgenden Tag in der Pfarrkirche San Pedro in Avinyonet getauft und erhielt den Namen Pedro José Antonio. Dank einer so christlichen Bildung in der Familie fühlte sich Pedro von Kind an zu religiösen Aufgaben hingezogen: Er wurde Ministrant in der Kirche und sang im Kirchenchor. Er schrieb seine Berufungsunruhe später der Unterweisung und der Erlaubnis seiner Eltern zu. Die Schule half ihm, geistliche Bücher kennenzulernen und häufig zu gebrauchen, die ihn von der Welt abkehrten. Dazu kamen die Worte und das Beispiel einiger Nachbarn, die als Brüder in die Kongregation eintraten und ihn auch dazu anspornten. Es dauerte, bis sein Wunsch konkret wurde, denn um eintreten zu können, musste er warten, bis er den Militärdienst hinter sich hatte.
Sobald die Dinge geregelt waren, kam er in die Gemeinschaft Gracia (heute Stadtteil von Barcelona), wo sich damals das Noviziat der Missionare befand. Nach dem Probejahr kam er nach Vic, um durch die Ordensprofess, die er am 16. Juli 1879 in die Hände des Mitgründers P. Jaime Clotet ablegte, in die Kongregation aufgenommen zu werden. Seine Anfänge als Professbruder gestatteten ihm, die Glut der Profess zu bewahren, indem er sich in den Arbeiten einsetzte, die ihm in der Gemeinschaft übertragen wurden. Bald darauf erhielt er die Anweisung der Oberen, sich in die Claretinermission Chile zu begeben, wie es bereits andere Claretiner, Patres und Brüder, getan hatten. Das sollte sein Lebenspanorama total verändern. Er schloss sich der sechsten Expedition von Herz-Marien-Missionaren nach Chile an.
Am 1. Juni 1880 kam er am Ziel an. Damit gelangte Br. Pedro Marcer an seine feste Bleibe. 47 Jahre blieb er dort im Convento de Belén, wie die Vorstadt und die Kapelle hießen, wo sich die ersten Missionare 1870 niederließen. Schnell wurde er zum Pförtner des Hauses ernannt, wo er über vierzig Jahre lang treu verharrte, mit nur kurzen Unterbrechungen wie ein paar Monate, die er nach Curicó musste, um dort eine Vertretung zu machen. In so vielen Jahren, in denen er die Pforte des Ordenshauses betreute, können wir uns auf zwei Aspekte konzentrieren, die ihn einzigartig machten: auf die Besonderheiten in der Erfüllung seiner Aufgabe, die zwar von vielen anderen Brüdern auch ausgeübt wurde, von ihm aber in einer anderen Weise, und auf das, was die anderen Brüder in ihrer Aufgabe mit anderen Betätigungen nicht zustande brachten.
Es sind zahlreiche Stimmen, die bezeugen, wie gut Br. Pedro seine Aufgabe an der Porte der Gemeinschaft erfüllte. Um besser zu erfüllen, was ihm aufgetragen war, hatte er gewisse Richtlinien geschrieben, an die er sich halten wollte, und versuchte so, den Geist der Konstitutionen, den Pater Stifter für die Aufgabe des Pförtners aufwies, in praktische Kriterien umzusetzen. Gleichzeitig bemühte er sich, bei anderen Obliegenheiten behilflich zu sein: die Pforte und die Höfe kehren, die Grünanlagen pflegen, die Geräte herrichten, den Gemüsegarten gießen, die Post abholen, die Turmuhr stellen.
Das Besondere war seine Vorgehensweise, nicht nur aufgrund seiner Geduld und Umsicht, sondern auch wegen der Anzeichen der Heiligkeit, die Obere und Mitbrüder bald bei ihm beobachteten. In der Tat zeichnete sich Br. Pedro insbesondere durch seine Demut aus, die aus der Kenntnis seiner eigenen Armut, Unvollkommenheit und Fehler hervorging. Von einer tiefen und gesunden Bußgesinnung bewegt, wiederholte er selbst immer wieder, einer der kostbarsten Beweggründe dafür, dass er in der Kongregation blieb, sei es, seine Sünden zu bekämpfen und das Heil zu erlangen. Anschaulich argumentierte er, er wolle bei dem Besen bleiben, den er benutze. Neben dieser bußfertigen Demut war auch sein Glaubensgeist auffällig, der seine Wurzeln in seiner Erziehung in der Familie hatte und von jenem Gedanken an die Ewigkeit gestützt wurde, der Pater Stifter von Kind an so sehr beschäftigte und der dazu führte, dass er sich auf das Gottvertrauen und die Gottesfurcht stützte. Es waren übernatürliche Beweggründe, die ihn hielten.
Insbesondere entfaltete er einen intensiven Gebetsgeist. Das gilt nicht nur für das gemeinschaftliche Gebet, das er von aller Frühe an treu und gewissenhaft erfüllte, sondern auch für sein überaus reichliches persönliches Gebet, wie es seine geistlichen Schriften, seine Vorsätze zeigen. Es gibt Zeugen, die bestätigen, wie er die freien Augenblicke bei seiner Arbeit nutzte. Das alles war genährt vom häufigen Empfang der Eucharistie und des Sakramentes der Versöhnung, was zur damaligen Zeit keine geforderte Gewohnheit war. In seiner Spiritualität fehlte es nicht an einer tiefen Verehrung der Gottesmutter, die sich im häufigen Rosenkranzgebet kundtat. Er verwandte seine freie Zeit darauf, aus Draht und Perlen Rosenkränze herzustellen. Und wie ein Licht, das alles erleuchtete, strahlte seine Liebe zur Kongregation, zu seiner Berufung, zu den Konstitutionen und zu den Anforderungen, die sich aus dem Leben und dem missionarischen Auftrag ableiteten. Wenn es um Liebe ging, wuchs seine Liebe zu Gott und zu den Seelen.
Sehr auffällig war das Briefapostolat von Br. Pedro. Möglicherweise hat es unter den Brüdern unserer Kongregation in dieser Verfahrensweise zur Verkündigung des Evangeliums nichts Vergleichliches gegeben. Von Br. Pedro kann man mindestens 38 Briefe mit eigenem Datum lesen; weitere sind bekannt, oder es wird in anderen Briefen darauf Bezug genommen. Wenn man die Umstände von Zeit und Ort berücksichtigt, war das damals im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht üblich, und erst recht nicht in den fernen Landen der Claretinerprovinz Chile. Jemand las sie und schrieb sie zumindest teilweise ab. Die meisten von ihnen sind an seine Angehörigen gerichtet: an seine Eltern, seinen Bruder José, seine Neffen, seine Nichte Ángela, die Ordensfrau war. Einzigartig ist einer, den er an P. José Fogued, den Präfekten der Studenten in Cervera und späteren Apostolischen Vikar in Tunki (China) schickte. Br. Pedro selber bringt zum Ausdruck, dass er keinen besonderen Hang zum Briefschreiben hatte. Die Briefe, die wir kennen, sind spontan, nicht aus einer Verpflichtung heraus geschrieben; das gilt auch für andere geistliche Schriften. Die Themen kamen immer wieder: das christliche Leben, das ewige Heil, die Gottesliebe, die Berufung; sie sind mit Tiefgang geschrieben, manchmal mit Zitaten aus den Weisheitsbüchern des Alten Testaments oder von Augustinus. P. Fogued sammelte seine Briefe und archivierte sie in einer Mappe mit der Aufschrift: Briefe des heiligen Bruders Pedro Marcer. Man bewahre sie auf, denn mit der Zeit können sie zur Ehre Gottes, unseres Herrn, der Kongregation und des Bruders beitragen.
Er entfaltete auch einen ausgedehnten Dienst als Ratgeber. Er nutzte jede Gelegenheit, um den Katechismus zu lehren oder die religiösen Grundsätze mit einem guten Rat oder einem liebenswürdigen Tadel in Erinnerung zu rufen. Viel auffälliger war sein Bemühen, einer Vielzahl von Paaren in ungeordneten Verhältnissen zu helfen, wobei er sie einlud, ihre Verbindung im Sakrament der Ehe zu ordnen. Br. Pedro bereitete sie vor, half ihnen bei den Besorgungen in den Pfarreien, verschaffte ihnen Geld für erforderliche Besorgungen; dieses Geld erhielt er von bestimmten Wohltätern zu diesem Zweck. Er ließ kein Mittel aus, um ihnen aus der Lage herauszuhelfen, in der sie sich befanden. Alle wussten, wenn es zur Unzeit an der Haustür läutete, waren es die Brautpaare von Br. Marcer. Man sagt, er habe im Schnitt eine Ehe pro Tag geregelt; es gab Jahre, in denen es über 500 waren; unter 400 waren es nie, darunter kuriose Fälle und viele Anekdoten. Es ging so weit, dass man wirklich sagte, „an unserer Pforte in Santiago würden mehr Ehen in Ordnung gebracht als in der ganzen Erzdiözese zusammen.“
Das Leben verging nicht umsonst, und die Arbeiten hinterließen ihre Spuren. Br. Pedro hatte den Gedanken an den Tod sehr gegenwärtig, ohne Angst und eher als Ansporn zu seinem Übergang aus diesem Leben ins andere. Er bereitete sich auf diesen Augenblick vor: „Wir wissen alle, dass wir sterben werden; wichtig ist, dass wir darauf vorbereitet sind.“
In seinen letzten sechzehn Lebensjahren litt er ungeheuer aufgrund eines Bruchs; dazu kamen Lähmungserscheinungen, die er zu ignorieren suchte. Sie zwangen ihn ins Bett, ohne dass er sich noch selbst helfen konnte. Doch er wollte niemanden mit seiner Betreuung belästigen. Niemand hörte ihn klagen. Derart war seine Selbstlosigkeit. Am 17. August 1927 ging er in Santiago de Chile aus dieser Welt hinüber in das Haus des Vaters.
Ohne auf gewisse mystische Gaben näher einzugehen, die ihm zugeschrieben wurden, bot sein ganzes Leben deutlich Anlass für seine Mitbrüder, ihn als Heiligen zu betrachten, wie es einer seiner Oberen ausdrückte: „Der heilige, der wahrhaft heilige, der ganz heilige Bruder Marcer.“