Mariano Avellana ist am 16. April 1844 in Almudévar (Provinz und Diözese Huesca) als fünftes von den acht Kindern, die seine wirtschaftlich wie sittlich gut gestellten Eltern Francisco und Rafaela hatten, geboren. Gleich am Tag seiner Geburt wurde er in der St. Anna-Kapelle der Pfarrkirche getauft, die Eigentum seiner Familie war. Er selber schrieb später: „Nach Gott verdanke ich es der Religiosität meiner Eltern, dass ich Priester bin.“
Mariano erhielt seine erste Ausbildung in der Schule seines Heimatortes wie alle Kinder: „Er hat pünktlich am Unterricht teilgenommen und die vollständige Grundschulausbildung mit Gewinn absolviert, wobei er beständig ein untadeliges Betragen an den Tag legte“, bescheinigte einer seiner Lehrer. Mit vierzehn Jahren ging er nach Huesca, um Latein zu lernen und die Gymnasialausbildung zu machen. Er trat ins Seminar ein, zuerst als externer und dann 1861 als interner Seminarist. Bald zeigte sich sein zähes und stures Wesen, was ihm bei einer Gelegenheit einen starken Verweis eintrug, weil er die Rechte der Seminaristen gegenüber ihren Ausbildern verteidigte. Dem Ausschluss aus dem Seminar entging er nur durch seine Reue und durch ein an den Bischof persönlich gerichtetes Gesuch mit der Bitte um die Erlaubnis, den Bildungsgang im Seminar abschließen zu dürfen. Nach Abschluss seines Studiums empfing er am 19. September 1868 die Priesterweihe.
Eine Zeitlang war der junge Priester Pablo Vallier, der bald in die Kongregation Clarets eintreten sollte, Spiritual des Seminars. Nachdem er zunächst Novizenmeister gewesen war, führte er die erste Expedition der Claretiner nach Chile an. Er war der einflussreichste Claretiner in jener Gegend, und mit ihm stand P. Mariano etwa 22 Jahre lang im Kontakt.
1864 ließen sich die Missionare, Söhne des Herzens Mariens in Huesca nieder. Das war für den jungen Mariano die Gelegenheit, sie kennenzulernen, und vielleicht verspürte er zum ersten Mal den Wunsch, dieser Kongregation anzugehören, die damals wuchs und sich über ganz Spanien ausbreitete.
Doch die liberale Revolution von 1868 machte einen Strich durch die Rechnung. Nachdem Isabella II. gestürzt war, wurde die Verfolgung gegen die Ordensleute erklärt. Die Mitglieder der Kongregation gingen ins Exil nach Prades (Südfrankreich). Dorthin begab sich im September 1870 auch Mariano, weil er den Ruf des Herrn spürte. Nach Ablauf des Noviziatsjahrs legte er seine Profess in die Hände von P. Xifré ab. Er war bereit, überall auf der Welt missionarische Aufgaben zu übernehmen. Nach kurzer Zeit wurde er 1873 nach Chile versetzt, ans andere Ende der Welt. Mariano und seine sechs Gefährten kamen am Abend des 11. September 1873 über Valparaíso in Santiago an, an einem denkwürdigen Tag, wie er selbst sagte. Damit begann ein neues Leben in Chile, seiner zweiten Heimat, das 31 Jahre dauern sollte, in denen er ohne einen Ruhetag missionierte. Er sollte nicht mehr nach Spanien zurückkehren. Er durchzog Dörfer, Pfarreien, Felder, Wüsten, Küsten, Täler, Spitäler, Gefängnisse, Heime, Kapellen, Klöster, Dome in den verrückten geographischen Verhältnissen von Chile, und das mit unsicheren Mitteln, zu Fuß, zu Pferd, in urtümlichen Eisenbahnzügen, und erlitt dabei unerhörte Qualen am eigenen Leib.
Sein Tätigkeitsfeld dehnte sich entlang der 2 580 Kilometer aus, die Arica von Concepción trennen, und konzentrierte sich stärker auf das landwirtschaftlich genutzte Zentraltal von Chile und auf den vom Bergbau geprägten kleinen Norden. Um 1870 lebte die Bevölkerung Chiles zu 80 Prozent auf dem Land und zu 20 Prozent in der Stadt. Die Missionen wurden vor allem auf dem Land durchgeführt (auf Bauernhöfen und Landgütern) oder in kleinen Ortschaften: Huaso (Bauer) ist der typische Mensch aufgrund seiner Arbeit und seinem unerlässlichen Pferd.
Noch im Jahr 1873 schaffte er es, sieben Missionen zu predigen: Colina, Doñihue, Coltauco, Pichidegua, Peumo, Alhué, Maipú. Das sind die einheimischen Namen der ersten Dörfer oder Pfarreien von Zentralchile, die seine Stimme und sein evangelisches Feuer empfingen. Diese Zahl sollte sich jedes Jahr in den verschiedenen Provinzen vervielfachen: San Felipe, Malloa, San Pedro, San José, Coinco, Curicó; Navidad, Rosario, Olivar, Rengo, Cáhuil, Tagua Tagua. Wenn alle die Hand heben, zählt man etwa dreihundert Missionen in diesen Gegenden. Neben den Bauernwagen und den Dritter-Klasse-Wagons der Züge seiner Zeit war das Transportmittel, zu dem er am häufigsten griff, das chilenische Pferd, das jedoch wegen einer schmerzlichen Wunde an seinem Bein eine echte Qual gewesen sein dürfte.
Von 1880 an durchzog er von der Gemeinschaft La Serena aus die unzähligen Dörfer des kleinen Nordens mit seinen Quertälern, die von Bergwerken umsäumt waren. Dort traf er auf Bergleute, die das Wort des Evangeliums zögerlicher annahmen und der christlichen Praxis stärker entfremdet waren. Doch das brachte P. Mariano nicht zum Zurückweichen. Die über vierhundert Missionen, die er dort predigte, brachten ihm den Namen Apostel des kleinen Nordens ein. Doch auch eine schmerzliche Prüfung fehlte nicht: Er steckte sich mit der Krankheit Herpes an, die in späteren Jahren ein ständiges Martyrium für ihn war.
Er selber schreibt 1903: „Dieses Jahr ist eines von denen, in denen ich in meinem ganzen Leben am meisten gepredigt habe (33 Missionen), und immer gut und unermüdlich. Ich nehme kein Fleisch zu mir, auch keine Milch und keinen Wein; mit Erlaubnis der Oberen stehe ich um zwei Uhr früh auf.“ Er missionierte die Bergbauzentren Andacollo, Sotaquí, Carén, Algarrobito usw. Er scheint die 43 Missionen des Jahres 1888 im selben Gebiet oder die 42 von 1998 in bäuerlichen Gebieten zu vergessen.
Obwohl es scheinen mag, dass, wie man zu sagen pflegt, alles spielend leicht war, war das Leben von P. Mariano doch sehr hart. Einerseits hatte er mit seinem manchmal energischen Charakter zu kämpfen, um dessen Äußerungen zu besiegen und abzumildern. Man sagt, die Ausbrüche seiner machtvollen Stimme hätten eine explosive Kraft enthalten, und ihr, dem Werkzeug der Gnade, habe niemand widerstanden. Doch er hatte weder mit den Oberen noch mit den Mitbrüdern in der Gemeinschaft oder bei den Missionen Probleme.
Er erlitt eine überaus schmerzlich Herpesinfektion, die damals unheilbar war wegen des Mangels an Medikamenten und vor allem, weil er weder die Ärzte noch die Krankenpfleger je davon wissen ließ. Im Gegenteil, er nahm sie als Ansporn zu Buße und Opfer an: „Dauerndes Ganzopfer Herpes. Gnade Gottes.“ „Als Opfer an die Heiligste Dreifaltigkeit die Herpes nur alle drei Tage behandeln, und zwar mit Wasser und einem Tüchlein.“ Er ertrug dieses Leiden in frommer Gesinnung und setzt ihm die Erwiderung eines Heiligen entgegen: „Ich werde diesen wilden und unbezähmbaren Feind besiegen: Er wird dir das verdienstvollste Kreuz sein.“
1895 wurde er zum Superior in Curicó ernannt. Eines Tages, als er im Gefängnis predigte, erlitt er einen Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung und Verzerrung des Gesichts; es blieb ihm ein schiefer Mund und eine große Schwierigkeit in der Aussprache. Seine Angst war schrecklich. Er konnte keine Missionen mehr predigen, und das hatte ihn am Leben erhalten. Er unterwarf sich den Anweisungen des Arztes und einigen drastischen Heilmitteln, doch die Heilung erwies sich als nicht einfach. Nach kurzer Zeit konnte er seine Aufgaben als Missionar weitermachen bis ans Ende seiner Tage.
Eine weitere Ursache extremer Schmerzen war die Verletzung an seinem Bein. Er litt stärker, wenn er sich bei den Missionen zu Pferd an einen anderen Ort begeben musste. Der Krankenbruder richtete ihm reichlich Binden her, er band sie um die Wunde, legte die Gamaschen an und ritt Meile um Meile, um zu predigen oder Kranken beizustehen. Das einzige Schmerzmittel war die Liebe zu Gott und zu den Menschen.
P. Mariano schloss nie Menschen oder Orte aus, er kümmerte sich um alle, um alle Sünder, und zwar um die größten mit größerem Nachdruck. Sein Eifer für ihre Bekehrung bewegte ihn zu den schärfsten Versuchen: Er kniete vor den hartnäckigsten nieder und lud sie ein, drei ‚Gegrüßet seist du, Maria‘ zu beten. Er hatte sich vorgenommen, „den großen Sündern die Füße zu küssen, damit sie sich bekehren“. Hervorheben muss man aber seinen Einsatz für die Ärmsten, die Gefangenen und die Kranken. Die Lähmung, die er im Gefängnis von Curicó bekam, ist nur ein Beispiel. Sobald er in eine Ortschaft kam, suchte er das Gefängnis und das Spital. Er predigte für alle Gefangenen und versuchte, ihnen die Beichte abzunehmen. In Valparaíso traf es ihn, dass er einen zum Tod durch Erschießen Verurteilten bis zu seinem letzten Augenblick begleiten musste: ein „schauderhaftes Schauspiel“. Als wahres Muster erweist sich, was die religions- und missionsfeindliche Presse von Coquimbo bei der Ankunft von P. Mariano schrieb: „Ihr Verurteilten im Gefängnis von Coquimbo, gestern schon konntet ihr die Stimme des heiligen Pater Mariano hören, den ihr jetzt alle Tage in eurer Gesellschaft haben werdet, damit er euch Trost bringt!“
„Ihr Kranken im Spital, jeden Augenblick wird der heilige Pater Mariano an eurem Bett stehen …“ „Wenn du kannst, halte dich mit den Armen auf, die du dort triffst.“ „Dienstag: immer Spital.“ „Predigen im Spital und im Gefängnis jede Woche.“ Die Heiligen, die sich dem Dienst an den Kranken gewidmet hatten, flehte er an: „Heiliger Johannes von Gott, heiliger Kamillus von Lellis, heiliger Franz von Borgia und heiliger Vinzenz von Paul, dankt dem Herrn an meiner Stelle und erlangt mir eine große Liebe zu den Kranken, Armen und Gefangenen.“ Und wie er sie liebte! Ihretwegen nahm er sich vor: „heldenhaft beten, heldenhaft arbeiten, heldenhaft leiden“.
Eine derartige religiöse Tätigkeit hätte er nicht leisten können ohne ein ganz intensives geistliches Leben. Das bezeugen seine Claretinermitbrüder, Bischöfe, Priester und das einfache Volk: Gebet, Andachtsübungen, Arbeit, Abtötungen, körperliche Leiden, Widerstand gegen Schmerzen und Krankheiten. Wir machen die gleiche Heiligkeit in seinen Schriften ausfindig: das Gebet, die unerschöpfliche Kraft seines Lebens und Wirkens. Wie oft flehte er die Oberen an, man möge ihn um zwei Uhr morgens aufstehen lassen, damit er mehr Zeit auf das Gebet verwenden könne als auf Schlaf und Ruhe! Sein Dienst war durchtränkt vom Geist Unseres Herrn Jesus Christus, des göttlichen Missionars oder vom eucharistischen Herzen Jesu, verstärkt durch den mütterlichen Schutz Marias, mit einer innigen Verehrung für Pater Stifter, für die Schutzheiligen, insbesondere für die der Kranken.
Sein Tod am 14. Mai 1904 in Carrizal Alto hatte alle Zutaten seines Lebens: letzte Mission, Arbeiten, Sturz vom Pferd, Gebet, Eucharistie, Anrufung Mariens, Krankheit und Fieber ohne Medikamente, Wunsch, in einem Spital zu sterben wie die Ärmsten, Wehklagen der einfachen Leute, Ruhe des Gerechten.
1919 wurde der Seligsprechungsprozess eröffnet; 1924 wurde er der Ritenkongregation übergeben. Johannes Paul II. bestätigte 1987 die Heldenhaftigkeit seiner Tugenden und erklärte ihn zum Ehrwürdigen. Seine sterblichen Überreste befinden sich seit 1981 in der Herz-Marien-Basilika von Santiago de Chile und harren auf die Verherrlichung.