An Weihnachten stehe ich verwundert an der Krippe. Hier ist der Plan Gottes, wie die Menschheit in eine endgültige innige Beziehung zum Schöpfer treten soll. Das Kind, das die Jungfrau geboren hat, ist Immanuel, Gott mit uns (Mt 1,23).
Mit einem menschlichen Verstand kann ich nicht die Tiefe, Höhe, Breite und Länge der Liebe uns Weisheit Gottes ermessen, der sich zur Geburt des Königs der Könige für einen Stall entschieden hat. Das „Wort, das Fleisch geworden ist, um unter uns zu wohnen“, hat sich der Gnade von Menschen und Natur ergeben. Die kalte Nacht, der Stallgeruch, die Insektenstiche und die unbequeme Stallecke mit den blökenden Schafen rundherum, die den Boden mit ihrem Kot beschmieren. Wow! Hätte man Menschen um Rat gefragt, hätten wir bessere Orte für die Geburt des göttlichen Kindes vorgeschlagen. In Palästina war da der Palast von König Herodes oder das Haus des Hohenpriesters. Noch bessere Orte wären der Palast des Kaisers in Rom oder der Han-Dynastie in China oder der Maharajas in Indien oder des Maya-Häuptlings in Amerika gewesen. Es gab renommierte Königinnen wie Kleopatra von Ägypten, Livia Drusilla von Rom oder eine der Maharanies im Osten, die den Erlöser der Welt zur Welt hätten bringen können. Wenn ich an die Machtpolitik in den Palästen und an die Intrigen in den königlichen Haushalten denke, dann weiß es, dass an diesen Orten des Pomps kein Platz dafür gewesen wäre, dass die Liebe Fleisch annimmt. Viele von diesen Männern und Frauen auf der Höhe ihrer Macht taten so, als wären sie Gott. Die Liebe wäre im ersten Augenblick unter dem menschlichen Stolz und der Anmaßung zu Tode erdrückt worden.
In dem kleinen Kind in der Krippe sehe ich den Traum Gottes von einer Menschheit vor mir, der sich in überraschender Weise entfaltet. Er übersteigt alle menschlichen Berechnungen und lädt mich zu einem Paradigmenwechseln in meinem Denken, Fühlen und Umgang mit den Mitmenschen ein. In dem Kind von Betlehem beginnt Gott mit der Umarmung derer, die an den Peripherien sind, so dass es niemanden gibt, den seine Liebe nicht erreicht. Wie der Stern, der die Weisen zum Kind in der Krippe führte, wäre das Kind von Betlehem der Stern, der die Menschen zu ihrer wahren Bestimmung, ihrem wahren Lebenszweck führt.
Unsere Welt wird nur besser, wenn die Verletzlichsten von den Menschen und die Sorge für unser gemeinsames Haus unsere Aufmerksamkeit und unser Engagement in Beschlag nimmt. Paradoxerweise neigen wir dazu, uns von Macht und Geld verführen zu lassen und uns um diejenigen zu drehen, die sie kontrollieren. So werden dienende Stellungen und Mittel für das Wohlergehen aller zu Götzen, die Spaltung, Meinungsverschiedenheiten in der Gesellschaft und Herrschaft über Menschen und Natur verursachen.
Weihnachten erinnert uns einmal mehr an den Traum Gottes und lädt uns ein, in dem Bewusstsein zu wandeln, dass Gott mit uns ist. Öffnen wir an diesem Weihnachten unsere Augen, damit wir die Wirklichkeiten jenseits der Perspektive unserer sicheren Einfriedungen sehen. Es macht einen Unterschied, wenn wir die Welt durch die Augen unserer Brüder und Schwestern sehen können, die an die Ränder der Gesellschaft weggeworfen und der menschlichen Würde und ihres gerechten Anteils an den Ressourcen der Natur beraubt sind. Die Liebe, die im Herzen geboren ist, wird uns sagen, was wir für unsere geringsten Brüder und Schwestern tun sollen.
Die jungfräuliche Mutter, in deren Schoß das Wort Fleisch annahm, sang das Lied von einer anderen Vision der Wirklichkeit, ihr Magnificat. Als unser Gründer die Welt durch die Augen Christi sah, nahm sein Leben eine andere Richtung, den „geraden und sicheren Weg“. Wir können in unserem Leben das Gleiche tun.
Ich wünsche allen meinen Claretiner-Mitbrüdern, den Mitgliedern der claretinischen Familie, Freunden, Kollegen und Wohltätern ein sehr bedeutungsvolles Weihnachtsfest und ein gnadenvolles neues Jahr.
P. Mathew Vattamattam CMF
Generaloberer