Als P. Claret am 11. August 1849 nach der letzten Betrachtung der Exerzitien, die er in der Kathedrale von Vic für den Klerus hielt, von der Kanzel herabstieg, erhielt er die Nachricht, er solle sich unverzüglich bei Bischof Luciano Casadevall verstellen. Dieser überreichte ihm das versiegelte Schreiben, in dem ihm mitgeteilt wurde, er sei als Erzbischof für Santiago de Cuba benannt worden. Die Reaktion Clarets war Bestürzung: „Die Ernennung versetzte mich in Schrecken.“ Am folgenden Tag präsentierte er Nuntius Msgr. Brunelli seinen Verzicht. Er betrachtete sich als unwürdig und nicht genügend vorbereitet. Außerdem glaubte er, er dürfe die vor kurzem gegründeten Werke nicht im Stich lassen: die Librería Religiosa und die Kongregation. Und dazu kam noch, dass er der Meinung war, das Bischofsamt könne den Tod seines missionarischen Charismas bedeuten: „So binde ich mich und beschränke mich auf ein einziges Erzbistum, wenn mein Geist für die ganze Welt ist.“
Angesichts der nachdrücklichen Aufforderungen begann er einen Prozess der Entscheidungsfindung. Er betete intensiv. Er bat seine Freunde Jaime Soler, Jaime Passarell, Pedro Bach und Esteban Sala um Rat. Er folgte den Gründen, die sie ihm nannten, und nahm die Ernennung an, wobei er sich die Worte Marias zu eigen machte: „Ecce servus tuus, fiat in me secundum verbum tuum.“
Ein Jahr später fand die Bischofsweihe statt. Er selbst erzählt sie in seiner Autobiographie so: „Am 6. Oktober 1850, dem Fest des heiligen Bruno, des Gründers der Kartäuser, deren Ordensgemeinschaft ich hatte angehören wollen; am ersten Oktobersonntag, dem Fest des heiligen Rosenkranzes, einer Andachtsform, zu der ich mich immer so stark hingezogen fühlte; an diesem Tag also wurde ich zusammen mit Don Jaime Soler, Bischof von Teruel, in der Kathedrale von Vic zum Bischof geweiht. Konsekrator war der Bischof dieser Diözese, der durchlauchtigste Herr Dr. Luciano Casadevall, Mitkonsekratoren die durchlauchtigsten Herren Domingo Costa y Borrás, Bischof von Barcelona, und Fulgencio Lorente, Bischof von Gerona.“
Geistliche Botschaft
Die Weise, wie Claret seinen bischöflichen Dienst verstand und lebte, findet sich zusammengefasst in dem Wappen, das er selbst zeichnete. Er erklärte es in einem Brief an eine Ordensschwester in Manresa, Schwester Dolores Sánchez: „Die Brücke, der Fluss und der Wasserfall deuten auf meine Heimat Sallent; mein Vater ist von der einen Seite des Flusses und meine Mutter von der anderen, und das symbolisieren die Sonne, Claret, und der Mond, Clará; der Name Maria zeigt meine geistliche Herkunft, denn sie ist meine Mutter, denn Maria ist die Patronin der Pfarrkirche, in der sich getauft wurde … Die Hostie, die sie auf dem Schoß hat, bedeutet, dass sie Mutter Gottes ist, und weil ich das allerheiligste Altarsakrament zu verehren wünsche. Die Palme spielt auf den heiligen Stephanus an, den Patron der Pfarrei und von mir; die Lilie spielt auf den heiligen Antonius an, auf den heiligen Aloisius von Gonzaga und auf die heilige Katharina von Siena, meine Patrone.“ Wenn man das Leben Clarets kennt, ist jede von diesen Anspielungen bedeutungsvoll.
All die Symbole werden ergänzt mit dem paulinischen Leitwort Caritas Christi urget nos, das als Wahlspruch auf dem Band steht. Er deutete es so: „Das Leitwort will besagen, dass es nicht die Liebe zu Gold, Silber usw. ist, die mich antreibt, von einem Teil der Welt in den anderen zu eilen, sondern die Liebe Christi, wie es der heilige Paulus sagt.“
Nach seiner Bischofsweihe sah sich P. Claret gezwungen, sein Charisma als apostolischer Missionar in die Ausübung des Bischofsamts zu übersetzen. Das wurde zu seiner Zeit vor allem als Ehre und Würde betrachtet. Der Bischof war außerdem ein bürokratischer Funktionär. Claret gewann den echt apostolischen Sinn des Amts zurück. In seiner Schrift Die Schönheit der Kirche erhalten (1857) fasste er seine Gedanken über das Bischofsamt zusammen. Bischof sein bedeutete für P. Claret, ganz in Christus umgestaltet zu werden, an seiner Heiligungsaufgabe als Hirt und Bischof der Seelen und an seiner Vateraufgabe in Bezug auf jeden einzelnen Gläubigen teilzunehmen. Der Bischof sollte auch an der bräutlichen Liebe Christi zu seiner Kirche teilhaben, was beinhaltete, sie zu lieben, sie zu heiligen, sie zu verschönern und das Leben für sie zu geben.
Dieses Modell des Bischofsamtes praktizierte er vor allem in den fast sieben Jahren, in denen er Oberhirte der Erzdiözese Santiago de Cuba war. Sofort nach seiner Ankunft auf der Insel machte er dem Generalgouverneur der Insel Don José Gutiérrez de la Concha ganz klar: „An dem Tag, an dem ich sehe, dass meinem Auftrag das kleinste Hindernis in den Weg gelegt wird …, an diesem Tag werde ich meinen Posten verlassen, und ich werde sicherlich nichts verlieren, was meine Person angeht, weil mir die Eigenschaft eines Missionars genügt, um arm zu sein, um Gott zu lieben, um meine Mitmenschen zu lieben und ihre Seelen zu gewinnen und gleichzeitig meine.“
Im Unterschied zu vielen anderen Bischöfen seiner Zeit übertrug er die laufende Verwaltung der erzbischöflichen Kurie an andere kompetente Leute. Und er widmete sich voll und ganz der Verkündigung des Evangeliums durch die Bischofsvisitationen in der Diözese, durch die ständige Ausübung des Dienstes am Wort und durch seine Sorge um die Bedürfnisse der Armen vor allem auf dem Gebiet der Vorbeugung und der Bildung. Er besiegelte diesen Einsatz für das Volk mit dem Blut, dass er beim Attentat von Holguín am 1. Februar 1856 vergoss.
Die Zeit in Madrid und der Weg über Paris und Rom bedeuteten eine Verbreiterung der Ausübung des Bischofsamtes als Sorge um die Gesamtkirche. Neben der Weiterführung seiner ständigen Predigttätigkeit erweiterte er das Schriftenapostolat, schaltete sich bei der Ernennung von Bischöfen ein, nahm am Ersten Vatikanischen Konzil teil und vollendete seine Bischofsweihe, indem er sein verbrauchtes Leben in der Einsamkeit von Fontfroide als Opfergabe für die ganze Kirche hingab.