Auch dieser Apostel trägt den Namen Jakob des großen Stammvaters des Volkes Israel (in der spanischen Sprache ist die Heiligkeit dermaßen zu seiner Wesenseigenschaft geworden, dass sich Santund Jakob zu Santiago verbunden haben, was als ein Name aufgefasst wird). Volkstümlich nennt man ihn manchmal Jakobus den Älteren, um ihn von Jakobus dem Kleinen (bzw. dem Jüngeren) zu unterscheiden, der im Markusevangelium erwähnt wird.
Jakobus und sein Bruder Johannes, die Söhne des Zebedäus, sind sowohl in der synoptischen wie in der johanneischen Überlieferung bekannt. Es scheint, dass sie zu einer verhältnismäßig wohlhabenden Fischerfamilie gehörten, denn sie hatten Angestellte. Sie lebten am See Gennesaret, ohne dass man genau bestimmen kann, in welcher Stadt. Jakobus wird niemals ohne Bezug zu seinem Bruder genannt, nicht einmal in der Apostelgeschichte, wo er die Hauptrolle spielt.
Die synoptische Überlieferung bringt die Berufung der beiden Brüder unmittelbar nach der von Petrus und Andreas in dieser zeitlichen Abfolge. Die Berufungen sind durch Ähnlichkeit im Inhalt und in der literarischen Form miteinander verbunden. Das dritte und das vierte Evangelium wissen um eine gewisse Nähe der Söhne des Zebedäus zu Petrus: Nach Ostern stellen sie sie bei gemeinsamen Fischzügen dar.
Die lukanische Überlieferung gesteht diesen beiden Brüdern eine besonders wichtige Rolle zu: Als sich Jesus von Galiläa nach Judäa begibt, wollen ihm die Jünger eine Unterkunft in Samaria besorgen, doch angesichts der Weigerung der Samariter werden Jakobus und Johannes wütend und wollen, dass Feuer vom Himmel auf Samaria fällt. Jesus weist ihr Ungestüm streng zurecht. Vielleicht war es dieses Ungestüm, was ihnen den Beinamen „Donnersöhne“ einbrachte. Lukas hat das Image der beiden Brüder verbessert, indem er sowohl den Beinamen wegließ, den ihnen Jesus gab, als auch ihre Forderung nach den ersten Plätzen in dem Reich, das Jesus errichten sollte.
Zusammen mit seinem Bruder und mit Petrus und Andreas ist Jakobus in ganz besonderen Momenten Zeuge der Tätigkeit Jesus: Heilung der Schwiegermutter des Petrus, Auferweckung der Tochter des Jaïrus, Verklärung, Gespräch vor der Endzeitrede und Blutschwitzen Jesu im Garten Getsemani.
In seinem zweiten Buch informiert uns Lukas, dass Jakobus auf Befehl von Herodes Agrippa enthauptet wurde und so als erster der Zwölf für die Sache Jesu das Martyrium erlitt. Dieses Martyrium ist die Erfüllung der Verheißung, die Jesus den Söhnen des Zebedäus machte: Sie sollten aus seinem Kelch trinken, eine Prophezeiung, die Lukas sicher bekannt war, auch wenn er sie mit dem ganzen Abschnitt, der sie rahmt, weggelassen hat, um die Apostel würdiger erscheinen zu lassen. Und das Martyrium bringt Jakobus und Petrus wieder näher zueinander, weil sie die einzigen zwei Apostel sind, deren blutiges Lebensende das Neue Testament festgehalten hat. Das Martyrium der übrigen Apostel gehört zu nachbiblischen Berichten.
Dass Herodes Agrippa I. (um das Jahr 44) gerade gegen Jakobus vorging, besagt sinngemäß, dass sich dieser Jünger Jesu in seiner Predigt und in der Verteidigung des neuen Glaubens inmitten eines ablehnenden Judentum besonders hervorgetan haben muss.
Über das apostolische Wirken des heiligen Jakobus haben wir keine Angaben aus der Väterzeit. Die erste Erwähnung eines Aufenthalts in Spanien finden wir im Breviarium Romanum (7. Jahrhundert) in einer Glosse bzw. einem Zusatz. Angaben zum Vorhandensein seines Grabes in Galicien finden sich erst im 9. Jahrhundert, um zwar im Martyrologium von Floro (808 – 838). Dass der Dichter Aurelius Prudentius (5. Jahrhundert) in seinem Lobgesang auf das christliche Spanien nicht auf die Verkündigung des Evangeliums durch den Apostel eingeht, nimmt diesen so späten Zeugnissen einige Glaubwürdigkeit; doch das Nichtvorhandensein gegenteiliger Überlieferungen kann diesen Mangel an alten Zeugnissen etwas ausgleichen.
Der angebliche Fund des Jakobusgrabs in Santiago de Compostela (Spanien) machte diesen Ort zu einem Wallfahrtsort, der sich nur noch mit Jerusalem und Rom vergleichen lässt.
Erwägungen Clarets
Bekanntlich ist der größte Teil der von Claret veröffentlichten Predigten nicht von ihm selbst geschrieben, sondern aus verschiedenen Quellen gesammelt und bearbeitet. Doch diese Auswahl und Sammlung sagt uns viel über sein Denken, auch darüber, was bei den jeweiligen Heiligen seine Aufmerksamkeit weckte. Über den heiligen Jakobus sagt er:
„Was soll ich wohl mehr bewundern, die Liebe des heiligen Jakobus zu Jesus Christus oder die Liebe Jesu Christi zum heiligen Jakobus? Die Liebe Jesu Christi zum heiligen Jakobus erkennt man daran, dass er ihn dazu erwählte, sein Jünger in der Würde des Apostelamts zu sein, zu der er ihn mit den ausgezeichneten Gunsterweisen, mit denen er ihn ehrte, und mit den wichtigen Lektionen, die er ihm erteilte, erhob. Die Liebe des heiligen Jakobus zu Jesus Christus tut sich durch seinen bereitwilligen Gehorsam, durch sein großmütiges Opfer und durch die Glut seines Eifers kund; dieser Liebe blieb er treu, der er den Vorzug verdankte, als erster der Apostel auf die Laufbahn des Martyriums voranzuschreiten. Er fiel als erster.
[…] Da sie Menschen ohne Bildung waren, ohne Kenntnisse und ohne Glaubwürdigkeit, waren sie von der Welt vergessen, und sogar sie selber wussten nicht und die Ehren und Gefahren, die es in ihr gab. Über sie breitete Jesus Christus den Blick voll Güte und Gefallen aus. Er rief sie: vocavit eos. Aber er rief sie, um sie unter seine Jünger zu stellen. Derart ist die Berufung des Jakobus und der Beweis der Liebe, den ihm Jesus Christus schenkte. Kaum war Jakobus sein Jünger, da sah er sich auf die Stufe der Apostel gestellt. Zwölf Männer wurden von den übrigen abgesondert und von Jesus Christus auserwählt, duodecim, damit sie Zeugen seiner Taten, Träger seiner Geheimnisse, Deuter seiner Lehre, Verkünder des Evangelium, Gründer der Kirche und Opfer der Religion würden. Unter jenen auserwählten Männern nahm Jakobus den dritten Platz ein … Boanerges, Donnersöhne, war der geheimnisvolle Name, den er erhielt; ein Name, den er in seiner ganzen Bedeutung füllen sollte.“
Eine besondere Bedeutung hat für Pater Stifter der Titel Boanerges (Donnersöhne), auf Jakobus und Johannes angewandt. Claret sah sich selbst und die Kongregation in einer besonderen Kontinuität zu den Donnersöhnen, die er zuallererst als Ausübung der Predigttätigkeit deutet: „Am 24. September [1859], dem Tag Unserer Lieben Frau vom Loskauf der Gefangenen, um halb zwölf Uhr mittags, ließ mich der Herr die Stelle Offb 10,1 verstehen, wo es heißt: Und ich sah: Ein anderer gewaltiger Engel kam vom Himmel herab; er war von einer Wolke umhüllt, und der Regenbogen stand über seinem Haupt. Sein Gesicht war wie die Sonne, und seine Beine waren wie Feuersäulen. In der Hand hielt er ein aufgeschlagenes Buch. Er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer, den linken auf das Land (zuerst in seiner Diözese auf der Insel Kuba und dann in den übrigen Diözesen). Und er rief laut, so wie ein Löwe brüllt. Nachdem er gerufen hatte, erhoben die sieben Donner ihre Stimme. Hier kommen die Söhne der Kongregation des unbefleckten Herzens Mariens; er sagt sieben, die Zahl ist unbegrenzt; hier bedeutet es alle. Er nennt sie Donner, weil sie laut wie Donner rufen und ihre Stimme erschallen lassen werden; auch wegen ihrer Liebe und ihres Eifers, wie Jakobus und Johannes, die Donnersöhne genannt wurden. Und der Herr will, dass ich und meine Gefährten die Apostel Jakobus und Johannes im Eifer, in der Keuschheit und in der Liebe zu Jesus und Maria nachahmen.“
„Durch nichts hat Gott, unser Vater, seine Liebe zu uns erbarmenswerten Verbannten in diesem Tale der Tränen so sehr gezeigt als dadurch, dass er seinen eingeborenen Sohn sandte, um uns zu erlösen und zu retten und damit der Haupt und Vorbild der übrigen Missionare werde. […] Jesus Christus hatte auf der Welt keine Aufgabe, die seinem ewigen Vater willkommener sein oder ihm mehr Ruhm einbringen konnte als die Aufgabe, Erlöser er Welt zu sein. Nun, diesen so erhabenen, so heiligen und so göttlichen Dienst hat Jesus Christus den Aposteln und den apostolischen Missionaren anvertraut, indem er zu ihnen sagte: ‚Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und er hat gewollt, sagte der heilige Hieronymus, dass auch wir Erlöser der Welt werden. Schau, geliebter Theophilus, ob es eine ähnliche Ehre gibt wie die, die uns Jesus Christus dadurch erweist, dass er uns in sein Apostelamt aufnimmt und mit uns den Titel Erlöser der Welt teilt. Wir sollen also in höchstem Maße Mut fassen, seinen Fußstapfen zu folgen, uns Tag und Nacht bei unserer Missionstätigkeit zu mühen, das Blut unserer Adern zu vergießen und unser Leben in der Blüte seiner Jahre loszulassen wie Jesus, wenn das sein heiligster Wille sein sollte.“